04 - Kaffee und Charakter
Wie trinkst Du Deinen Kaffee?
Schwarz? Mit Milch? Zucker? Magst Du die bittere Spitze, die dem Kick des Koffeins noch mehr Schwung verleiht? Oder den Kontrast mit einer zuckersüßen Note? Vielleicht die cremige Weichheit der sahnigen Milch entlang der scharfen Kante?
Zelebrierst Du Deinen Morgenkaffee? Diesen ersten Hallo-Wach-Moment, wenn die fliehenden Träume dem Alltag weichen? Oder denkst Du Dir gerade, was soll der Schwachsinn, Kaffee ist Mittel zum Zweck! Kapsel rein, Knopf drücken, runter damit, ab in den Tag.
Hast Du einen speziellen Kaffee-Becher, der diesem Ritual gewidmet ist? Vielleicht so einen mit ‘nem Spruch drauf, einem lustigen Bild, oder schlicht Deiner Lieblingsfarbe? Weil er Dir gefällt und Du ihn gerne jeden Morgen siehst? Oder war er ein Geschenk von einem speziellen Menschen? Eine Erinnerung, gefüllt mit schwarzer Brühe? Oder schlicht Gewohnheit, die zum Ritual wurde?
Oh, Du trinkst keinen Kaffee? Ups. Nun, irgendwas musst Du am Morgen trinken. Tee vielleicht? Limonade? Schnödes Wasser? Ja gut, aber, mit oder ohne Blubber? Was ist Dein Morgenritual?
Was ist mit mir? Wir kennen uns ja nun seit ein paar Seiten. Nimm Dir kurz Zeit. Was denkst Du, wie trinkt der NachtPoet wohl seinen Kaffee?
Was erzählt Dir das über mich?
Und warum schwafle ich über Absätze hinweg über verschwefelten Kaffee? Was zur Lava hat das mit Lektionen im Schreiben zu tun?
Ganz einfach. Es ist ein Geheimnis, dass ich nur meinen Lieblingsmenschen verrate. Und wenn Du mir über all die Zeilen bis hierher gefolgt bist, dann zählst Du definitiv dazu.
“Wie trinkst Du Deinen Kaffee?”
Diese simple Frage ist ein Portal zur Charakter-Entwicklung. Nicht das einzige, aber ein sehr effektives.
Wenn Du weißt, wie Dein Charakter seinen Kaffee trinkt, dann gewinnt er an Tiefe.
Wenn Du einen Charakter kreierst, der mehr ist als nur ein flaches Abziehbild, dann WEISST Du, wie er seinen Kaffee trinkt.
Diese simple Frage an Deine Figuren, “Wie trinkst Du Deinen Kaffee?”, sie kann ein ganzes Netz an winzigen Details spinnen. Tausend Kleinigkeiten, die ihr selbst nicht bewusst sind. Aber Dir.
Und, klar, die werden wohl kaum in Deiner Geschichte vorkommen. Aber im Leben Deiner Figur. Jenseits der Kamera. Jeden. Einzelnen. Tag.
Du weißt um sie.
Und weil Du es weißt, wird es einfließen in jede Zeile. Jede Geste. Jedes gesprochene Wort. Nicht, weil Du es beschreibst, sondern schlicht, weil es so ist. In Dir.
Das, was wir beschreiben, ist ein winziger Bruchteil dessen, was wir in uns tragen. Ein kleines Fenster auf ein unermesslich großes Bild.
Wenn Du dieses Bild siehst, wird es sich auch im Kopf Deiner Leser entfalten, über den Rahmen hinaus.
Oh, und falls Du neugierig bist:
Ich trinke meinen Kaffee schwarz. “Schwarz wie meine Seele”, wie ich gern mit einem süffisanten Lächeln anfüge. Und es ist mir egal, wie die Brühe schmeckt. Ich brauch den Koffein-Kickstart, um vom grunzenden Morgenzombie-Schuffelmodus in den federnden Kreativ-Gang zu kommen.
Es gab da mal diese Werbung. Mann morgens im Bett. Frau bringt ihm Kaffee. Er nimmt den ersten Schluck. Ein schlecht animierter Boxhandschuh, BAMM, haut ihm eins in die Fresse.
Szenenwechsel. Gleicher Beginn. Dieses Mal, statt dem Boxhandschuh, Lippen, die ihn wohl sanft wachküssen? Und dann, die Kaffee-Marke.
Ich wollte immer wissen, wie die andere Marke heißt. Die mit dem Boxhandschuh! DAS ist, was Kaffee tun soll. Beim Kussmund dreh ich mich doch wohlig um und schlafe weiter!
Mein Kaffee wurde immer kalt, bevor ich ganz getrunken habe. Sträflich vernachlässigt nach dem ersten Schluck, während er dem Klappern der Tasten lauscht. Nun, kalter Kaffee konserviert, wie ich dann sage mit dem Schwarz-wie-Seele-Lächeln. Ist natürlich Blödsinn, aber es entlockt dem Anderen ein Grinsen, passt zu meinem latenten Peter-Pan-Gehabe, und kürzt die Sache ab. Ich hab zu tun. Die Tastatur wartet schon ungeduldig.
Meine gute Freundin hat mir so ‘ne USB-Heizplatte für meinen Kaffee geschenkt. Hängt jetzt an meinem Laptop. Die schlichte schwarze Kaffee-Tasse hat dort ihren Stammplatz. Der Kaffee bleibt warm. Die Erinnerung wärmt mich. Passt gut.
Und? Wie passt das für Dich? Zu dem NachtPoeten in Deinem Kopf? Denn, seien wir ehrlich, auch ich bin für Dich ein Charakter.
Spielwiese:
Frag eine Deiner Figuren: Wie trinkst du deinen Kaffee?
Oder wenn sie keinen Kaffee mag: Was ist dein erstes Ritual am Morgen?
Schreib die Antwort nicht als Liste, sondern als kleine Szene. Zeig, wie sie ihn zubereitet, wie sie den Becher hält, ob sie ihn austrinkt oder stehen lässt, ob sie allein trinkt oder in Gesellschaft.
Und dann: Was macht der erste Schluck mit Deiner Figur? Wie fühlt sich das für sie an? Was geht in ihr vor? Wie verändert sie sich?
Wie verändert es Dich? Dein Bild dieser Figur?